Sonntag, 5. Dezember 2010

Martinigans 2010


Heuer war alles anders! Meine Schwiegers hatten mit guten Bekannten ihre eigene Gans-Partie und zudem war meine liebe Renate etwas kränklich. Dann gab's bei Bio-Ganserlbauern unseres Vertrauens kein liebes Tier mehr und so musste der Vogel eben auf das nächste Wochenende verschoben werden. Zudem galt es eine gute Vogelquelle zu finden - eine Aufgabe für sich - denn ungarische Mastgänse in den diversen Supermärkten sind uns ein Graus und die anderen heimischen Freilandgänse unserer Wahl befanden sich anscheinend bereits alle in den Mägen der Österreicher (oder einige Stücke weiter ;-).

Daher war es diesmal nur eine halbe Gans und auch auf die Maroni im Blaukraut mussten wir diesmal aufgrund (m)einer spontan auftretenden, Sonntag nachmittäglichen Trägheit (diese frisch zu besorgen) verzichten. Macht nichts - es muß ja auch einmal für etwas Abwechslung zum Vorjahr gesorgt sein ;-)

Beim Wein habe ich aufgrund der fehlenden 2 durstigen Kehlen eine nicht ganz so große Palette zur Auswahl stellen wollen, zudem habe ich heuer einmal auf den obligatorischen Pinot Noir verzichtet und - bisher ebenso unüblich - dem gereiften Exemplar auch ein junges, dafür vom Rebsortenmix umso interessanteres Exemplar zur Seite gestellt.
Wie im Vorjahr begonnen, gab's auch als Kontrast zu den beiden Roten eine Alternative in Weiß, diesmal eine kräftige Variante eines Kamptaler(!) Traminers vom Enkel des berühmten Dr. Fritz Zweigelt (jaja, genau derjenige, welchem die Rebsorte seinen Namen verdankt) welche mit 5 Jahren Reife zwischen den beiden Jahrgängen der Rotweine angesiedelt war. Und einen Suptertuscan, der einfach noch was gut zu machen hatte, da die erste Flasche vor 2 Jahren so enttäuschend war.


  • Fattoria Felsina, Fonntalloro 1999, VdT, Castelnuovo Beradenga, Toskana, von der Farbe her eigentlich noch "jugendlich", am Sprung zu den ersten Granattöne, eine süße erste Welle erreicht meinen Riechkolben, dann balsamische Noten nach Teer, Leder, ganz zart versteckt im Hintergrund "helle Obertöne" nach Eukalyptus, also alles klassisch im tertiären Aromenspektrum angesiedelt, am Gaumen brüchig und  morbide im besten Sinne, feine Gerbstoffe, welche sanft und altersmilde die Rezeptoren der Zunge berühren, die Flasche also insgesamt in einem gutem Zustand, nicht allzu komplex oder lang, und das Finish ein bisschen trocken, aber ein wirklich passender Essensbegleiter, *(*)-**/**
  • Weingut Johann Heinrich, alpha 09, Tafelwein, Deutschkreutz, Mittelburgenland, eine Cuvée aus den beiden in der Stilistik gar nicht so unähnlichen Rebsorten Blaufränkisch und Nebbiolo, jugendliches Purpurrotviolett, viel Primärfrucht nach Kirsche, nein Weichsel, aber auch tiefe Würze ist vorhanden, sehr lebendig am Gaumen durch eine vitale Säurestruktur, das gefällt mir, die Würzigkeit bleibt immer präsent, mittelgewichtig, rund und im Abgang eher feurig, solo genossen eine für mich durch und durch gelungene Paarung, süffig und mit Spaß und Anspruch zu genießen,*(*)-**/***
  • Weingut Thomas Leithner, Traminer Fraupoint 2004, Langenlois, Kamptal, helles Goldgelb, klassische und intensive Traminernase, Rosenduft, zeigt viel Öl und Fett im Mund, trotz seiner 14% Vol. noch immer deutlich graziler und konturierter als so manche Südtiroler Artgenossen, fast cremig weich auf der Zunge, sauber Abgang mit leichten Tertiäraromen, das Richtige für die kalte Jahreszeit *(*)-**/***
Und die Paarung der drei Exemplare mit der guten Gans?

In Kombination mit dem Essen wiederholt sich die bereits im Vorjahr gewonnene Erkenntnis, daß die Weine allesamt deutlich an Süsse verlieren und dadurch um einiges herber und maskuliner am Gaumen erscheinen als solo genossen. Am deutlichsten bekommt dies der Jungwein zu spüren, der insgesamt nur mehr eine sehr präsente Säure aufzuweisen hat, und so der geschmacklichen Einheit des Essens nichts Adäquates mehr entgegenzusetzen hat. Zu wenig für wirklichen Genuß!
Auf Augenhöhe mit dem Essen ist der Traminer. Wer sich am intensiven Eigengeschmack dieser Rebsorte nicht stört, der erhält einen guten Partner mit spannender Dialogfähigkeit. Wer jedoch nur einen Essens*begleiter* sucht, der nicht ab und zu auch einmal ein Solo auf der Zunge tanzen darf, wird keine so rechte Freude damit haben.Die Sangiovese mit ihrem vollen Spektrum an Tertiäraromen wiederum liefert mir den Beweis, daß gereifte Weine zu Recht der "richtige" Zugang zu zu meinem Wein-Gans-Verständnis sind. Zwar verliert auch dieser Wein seine noch toll vorhandenen Süße und die Kombination aus Fleisch, Serviettenknödel und Blaukraut  - alleine von Letzterem gibt es ja unzählig verschiedene Zubereitungsarten, von süß bis sauer - verstärkt das Tannin, jedoch scheint dies unter dem Aspekt der Tertiäraromatik weit weniger gravierende Auswirkungen zu besitzen, als bei jungen und fruchtbeteonten Weinen.
Im Gegensatz zu meiner früheren Annahme ist eine vitale Säurestruktur wie zB. beim Pinot Noir zwar von Vorteil, jedoch nicht zwingend. Ohnehin sollt jeder gut gereifte Rotwein neben seinen Gerbstoffen noch "leben", also einen anständigen Säurenerv besitzen, ansonsten wird's schnell fad bei einem Roten.

Zukünftig denke ich also recht genau zu wissen, was zu "unserer" Martinigans gut passen könnte oder weniger.. .

Was bleibt noch auszuprobieren? Ein wirkliches Tanninmonster zB. in Form eines Tannat-Weines aus dem Madiran, die Palette aus dem Piemont - von denen ich leider fast gar nichts im Keller habe (möchte wer spenden?) und auch ein Schluck Portwein, vorzugsweise Vintage wäre sicherlich einmal einen Versuch wert, wie überhaupt die grandiosen Weine aus dem portugiesischen Douro-Tal!


Ganserl-Nachlese:
Gans 2006 | (Martini)Gans 2007 | (Weihnachts)Gans 2007 | Martinigans 2008 | Martinigans 2009 |
Addendum Gans 2009

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