Donnerstag, 4. Februar 2010

Reserve Chardonnays aus den Jahren '02-'04

Prachtvolles Exemplar eines Arktischen Wildlachs (Bildquellennachweis siehe Link)

Einer der Höhepunkte um den Jahreswechsel ist bei uns zu Hause immer durch die Vorfreude auf geräucherten Lachs begründet. Der Wildlachs - natürlich im ganzen Stück, mit feiner Klinge aus einer japanischer Samurai-Schwertschmiede fein filetiert - ergibt zusammen mit frischem Baguette, Butter, Honigsenf und etwas Petersilie einen gar köstlichen Gaumenschmaus.

Die im Fisch reichlich vorhandene Omega-3-Fettsäure in Kombination mit dem Räucherton harmonieren am ehesten mit kräftigen Weinen, wie beispielsweise Chardonnay, Grauburgunder oder Rotgipfler. Faßausbau kann unterstützend wirken, ist aber nicht zwingend erforderlich, soferne der Wein von sich aus eine gute Struktur durch reifes Lesegut mitbringt. Hohe Säure in Verbindung mit schlankem Körper hingegen ist ein NoGo, sorgt diese doch oftmals für einen unangenehmen, weil intensiv metallischen Beigeschmack.
Auch Champagner der etwas reiferen und fülligeren Stilistik brilliert durchaus und ebenso ist Wodka eine akzeptable Paarung für Freunde, die's ein wenig hochprozentiger angehen möchten ("..naja Schatzerl, weißt eh', aber der fette Fisch..").

Trotz alledem bleibt für mich zum Räucherlachs ein Chardonnay aus dem kleinen Eichenfaß das Maß der Dinge. Schon klar, daß diese Weine polarisieren, man liebt sie oder meidet sie.
Ganz nachvollziehen läßt sich diese Haltung aber nicht, denn, wie die Verkostung schön gezeigt hat, sind die anzutreffenden Stilistiken durchaus diffizil und äußerst unterschiedlich. Und von fetten, im Holz ertränkten Vertretern (nicht nur) aus amerikanischen Gefilden (denn auch das ist ja inzwischen teilweise ein überholtes Klischee) sind wir hier meilenweit entfernt.
Ich jedenfalls liebe diese Art von Wein und sofern man ihnen ein paar Jahre der Verfeinerung gegönnt hat, danken sie es einem auch mit unvergleichlichen, vielschichtigen Aromenspektrum, ja richtig subtilen Charakterzügen!


Als Referenz gibt's den südafrikanischen Vertreter der Waterford Estate aus der Neuen Welt zu besiegen, welcher immerhin ebenso bei mir die maximale Punktezahl erreicht hat und das bei gut einem Viertel günstigeren Preis im Vergleich zu den heimischen Exemplaren!

Zuerst rittern einmal die 3 Nachbarn aus der Thermenregion, in der die Burgundersorten besonders gut gedeihen, um den "Turniersieg":
  • Leo(pold) Aumann, Chardonnay Reserve 2004, Thermenregion, klares Goldgelb, expressive, "helle" Aromen entströmen dem Glas, eine vielschichtige Melange aus reifen exotischen Früchten und balsamischen Noten, Kiefer, Harz, Terpentin, am Gaumen stoffig, aber etwas unruhig, süßer Fruchtcharme, die Säure ist etwas zu präsent im langen, ölig und weichen Abgang, etwas Alkohol spürbar, in Summe läßt noch die Harmonie noch auf sich warten, gut, aber nicht sehr gut, **/***
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    2.te Flasche mit expressiver Aromatik, stark vom Holz geprägte Note, aber alles fein verwoben, Kaffee, nein, intensiver Mokka, ätherische Orangennoten & Orangenzesten, Karamell, Stollwerk, Minze, extrem vielschichtig und tief, opulente Fruchtsüsse auf der Zunge, hat viel Charme, macht Druck, aber auf eine komplexe, vor allem harmonische Art und Weise, cremig weicher Gaumenschmeichler, wirkt viel balancierter als die erste Flasche, spielt in einer anderen Liga, jedoch noch nicht ganz am Höhepunkt seiner Entwicklung, viel Potential , sehr nahe der Perfektion, **(*)-***(Potential)/***

    Der Klasseunterschied beider Aumann-Flaschen ist insoferne interessant, als beide mit dem VinoLok-Glasstöpsel verschlossen waren und gleichzeit im Weingut bezogen wurden - was per se ja zwei unterschiedliche Chargen nicht ausschließt, jedoch zum Nachdenken anregt!

  • Johanneshof Reinisch, Chardonnay Lores 2004, Thermenregion, kräftiges Strohgelb mit grünen Reflexen, anfangs eine fein ziselierte, fast filigrane Nase, geröstete bzw. gebrannte Nüsse (Aschanti), wird von einem nervigen Unteron durchzogen (andere würden das als mineralisch bezeichnen ;-), wirkt äußerst fokussiert am Gaumen, schwebende Eleganz, tänzelt elegant und seidig auf der Zunge, leicht salzig, so ganz konträre Stilsitik zu einem fetten Chardonnay zeigend, fordernd, da sich jeder Schluck im Mund aktiv erschmeckt werden muß, balancierte Struktur, etwas kurzer, jedoch harmonischer Abgang, feiner Stoff für Individualisten, **-**(*)/***
  • Weingut Karl Alphart, Chardonnay Reserve 2003, Thermenregion, leichtendes Goldgelb, expressive Nase mit Aromen von reifen gelben Früchten, viel Exotik, hat das Holz komplett absorbiert, eine verschwenderische Fruchtfülle am Gaumen, süß, mächtiger Extrakt, zeigt eine hedonistische Opulenz, Ananas, saftig und cremig weich, kratzt an der Grenze des "Zuviel-des-Guten", die 14% Vol., ja die kann der Wein nicht leugnen, in Summe jedoch alles in Balance, im Abgang etwas konturlos breit, so ziemlich das Gegenteil zum Lores, aber man darf das heiße Jahr 2003 im Kontext nicht außer Acht lassen, durch seine Milde und Weicheit ohne präsente Säure bzw. Holzton paßt dieses Exemplar zum geräucherten Lachs ganz außerordentlich gut, *(*)-**/***
Weiter zu den beiden Vertretern aus Pannonischem Klima vom Neusiedlersee..
  • Schloß Halbturn, Imperial Weiß 2004 (eigentlich eine Cuvée im Verbund mit Sauvignon Blanc), Burgenland, helles Strohgelb, sehr zurückhaltende Nase, brotige Anklänge, ein weinig Quitte, Orangenzesten, im letzten Eck des Hintergrundes sind Terpentin-Noten wahrnehmbar, ein Wein der leisen Töne, im Mund wirkt der Wein anfangs geschliffen ruhig, ein Dahingleiten auf glatter Oberfläche sozusagen, um dann abrupt eine unruhige, höchst mineralische Komponente ins Spiel zu bringen. Getragene Noblesse auch im Abgang, recht harmonisch, eher ein Wein der Zwischentöne, braucht ein "in-Sich-Hineinhorchen" bei innerer Ausgeglichenheit!
    Dieser Wein ist nicht's für Hektiker, er will verstanden werden und braucht viel zeit dazu, denn anfangs notierte ich: ..fehlende Tiefe, kommt auch im Mund nicht in Schwung, wirkt unruhig, eine seltsame Flasche, ich kenne dieses Exemplar in ganz anderer Form..
    Aber auch Adi Schmid, Sommelierlegende vom Steirereck in Wien schreibt in der vinaria 6/2009 nur in lobenden Worten ("..burgundische Dimension.."), zum Glück habe ja noch 2 weitere Flaschen im Keller!
  • Gernot & Heike Heinrich, Pannnobile Weiß 2003, Neusiedlersee, helles Gold, ein Traum von barriquegeschulterter Nase, expressive Aromen, weist alle Varianten von Kaffee & Röstung auf, Mokka pur, zart im Hintergrund sind balsamische Noten erkennbar, Terpentin, aber auch Honig, Karamellnoten, ganz klar, dieser Wein lebt von seinem Toasting, wer mit Barrique-Chardonnay nichts anfangen kann, wird sich der Genüsse, die solch ein Wein zu bieten im Stande ist, nicht erfreuen können, süßlicher Gaumen, völlig offene Stilistik, hedonistisches Mundgefühl, hochfeine, seidige Textur, öliger Abgang, keine Spur der 14% Vol., läßt mich eins sein mit dem Wein und dem Universum, immer wenn ich so ein Exemplar im Glas habe vergesse ich die Welt um mich herum, da schaltet alles einen Gang zurück, läuft alles in Zeitlupe, obwohl man selbst sich in dieser Blase im Normaltempo bewegt, verliert die Zeit, der Tag, das Erlebte seine Bedeutung, erfaßt mich die lyrische Muse, atme ich das Göttlich der Natur, avanciere ich zum Nasentrinker, ...
    Der Stoff hat Modellcharakter, ist ohne Schnörkel, kein intellektueller Wein, sondern präsentiert sich offen und zu zugänglich, und dennoch erst am Beginn seiner Möglichkeiten, zeigt großes Potential aus einem großen Jahrgang, kann ich anders, als bei einem solchen Wein die Höchstpunktezahl zu vergeben? Nein! ***/***
Zum Abschluß noch ein Vertreter aus Südtirol aus der Restekiste..
  • Kellerei Schreckbichl, Chardonnay Cornell 2002, Südtirol, leuchtendes Goldgelb, ölige Schlieren im Glas, mein Riechkolben taucht ein in das volle Aromenspektrum einer Gärung im Barrique, 1o-monatiger Ausbau auf der Hefe, in der ganzen Breite der Röstaromatik ist Kaffee dominant, aber auch Vanille, geröstete Nüsse und sogar Zitronengras sind auszumachen, ebenso gibt's phenolische Komponenten wie Harz und Terpentin im Hintergrund, seidig, fülliger Stoff bekleidet die Zunge, feiner, harmonischer und wiederum mit phenolischen Komponenten begleiteter Abgang, alles in Balance, wunderfein - niemals aufdringler - zart buttriger Nachhall, da lacht mein Weinherz bei diesem Traum im Abverkauf um €8, **(*)/***

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