Samstag, 6. März 2010

Jungweindiskurs

Dirk Würtz sinniert laut über den (deutschen) Jungweinwahn (1|2).

Nichts wirklich Neues in Österreich, denn gerade der Spätwinter, die Zeit der meisten Jungweinverkostungen, macht dieses Thema jedes Jahr wieder hoch aktuell!
Ich habe schon im Vorjahr darüber geschrieben und auch einen ganz simplen Lösungsansatz aufgezeigt, der auf Seiten der Konsumenten
und der Winzer eine Win-Win-Situation schafft - und dies ganz ohne Bevormundung.
Zudem
sehe ich es als mündiger Konsument mit einem breiten Grinsen im Gesicht, ermöglicht doch der Jungweinwahn einen alljährlichen Abverkauf des Vorgängerjahrgangs im Fachhandel, der es einem Weinfreund zu günstig(er)en Konditionen ermöglicht, sein Weinregal aufzufüllen.

Grundsätzlich muß man – und das geht auch aus obigem Beitrag von Dirk bzw. dem Diskurs bei Bernhard Fiedler hervor – zwischen zwei Betrachtungsweisen unterscheiden. Zum einen geht es darum, wann der aktuelle Weinjahrgang in den Markt Eingang findet, zum anderen geht's um die Thematik des „gereiften Weines“.

Mir geht’s persönlich mehr um’s erstere, denn ob man gereifte Weine bevorzugt oder nicht, und ab wann überhaupt ein Wein als gereift zu bezeichnen ist, all das ist in erster Linie eine Frage des persönlichen Geschmacks. Dies am Etikett einer „Weinkennerschaft“ dingfest zu machen, ist meiner Meinung nach eine unzulässige Vereinfachung.
Wenn die Liebe der Winzer zu den eigenen Kreszenzen so weit geht, daß sie ein paar Kartons für Freunde älterer Weine beiseite legen, freut mich das. Als Muß sehe ich dies aber nicht, denn wir Weinfreaks pflegen unsere Meriten ja lieber doch im eigenen Keller!

Zweiteres ist da vom Thema her schon weitaus spannender!
Ein wenig ist das Geschrei der Winzer aus Verbrauchersicht natürlich auch
perfide. Stehen doch zum einen hinter dem möglichst raschen Verkauf auch wirtschaftliche Interessen, auf der anderen Seite machen jene Weine, bei denen ein Zurückbehalten zugunsten weiterer reife Sinn hat ohnehin nicht das wirtschaftliche Fundament eines Betriebes aus. Also warum nicht einfach (zu)warten mit den guten Tropfen? Und wozu dann all die zahlreichen Faßproben?
Erziehungsarbeit leisten zudem hier auch die Winzer selbst. Wurden nicht jahrelang die kaltvergorenen Reinzuchthefe-Exemplare als das Non-Plus-Ultra des kommenden Sommers proklamiert? Kein Wunder, daß die Gaumen der Konsumenten mit einer "anderen" Stilistik gar nichts mehr anfangen können! Besitzen diese Weine doch nicht mehr die vordergründige (eindimensionale), aber als makellos wahrgenommene Schönheit der Jugend. Leise Zwischentöne im Wein erfordern zudem neben Zeit und Reife(!) auch mehr Kennerschaft als die primärfruchtige Aromabomben.

Was ich wirklich nicht verstehe, ist warum die Jungweinverkostungen oftmals terminlich noch im tiefen Winter liegen.
Hier wär’s an der Zeit, organisatorisch was zu ändern, machen doch im lauen Frühling angesiedelte Präsentationen deutlich mehr Lust auf frischen Weißwein und zudem hätten die Weine auch weitere 2 Monate Zeit für ihre Entwicklung. Gerade beim Stelvin ist doch ein füllfertiger Wein ungleich wichtiger - nein kritischer - als beim Naturkork.
Und daß es Weinbauern gibt, die ihre Weine aufgrund des Kundenverlangens früher füllen, obwohl sie wissen, das der Wein noch deutlich Zeit zum Ausreifen brauchen würde, verstehe ich ohnehin nicht wirklich. Möchte denn nicht jeder gerne seine Arbeit vom Vorjahr im bestmöglichen Zustand herzeigen?
Aber da die meisten Konsumenten ohnehin nur einfach eine gutes Glas Wein genießen möchten, ohne den Wein zu zerlegen und zu analysieren, kaufen sie das, was verfügbar ist. Und dies ist nun mal der allerorts als "neu" angepriesene Jungwein. Paßt doch ganz gut in der Schnellebigkeit unserer Welt, wo doch "neu" immer besser als "alt" ist! Genußnivellierung vom Fließband ;-)
Daß natürlich auch einige Weine auf gute Trinkbarkeit im Frühling - und damit zu Lasten der Haltbarkeit - hin vinifiziert werden, um bei den Tastings der Fachmagazine besonders gut abzuschneiden, ist eine weitere Facette in dieser Diskussion.

Andererseits orte ich auch eine gewisse Diskrepanz in den Aussagen zur Verkaufbarkeit von "Altweinen". Behaupten die einen (Winzer), daß sich immer nur der aktuelle Jahrgang unters Volk bringen läßt, haben gute Gastronomiebetriebe (zugegebenermaßen meistens im gehobenen Segment) bzw. Winebars meistens kein Problem, auch den Vorgängerjahrgang (oder älter) zu vertreiben. Beratung durch fachkundiges Personal trägt natürlich dazu bei.
Aber und zu treffe ich auch auf Winzer, die berichten, daß nicht alle Länder, in denen sie exportieren, auf den aktuellen Jahrgang fixiert sind. So fragen niederländische Importeure schon gerne mal nach dem ältest verfügbaren Wein und auch in Hamburg scheint man diesbezüglich etwas offener zu agieren.
Im Supermarkt sieht das ganz anders aus. Jedenfalls würde ich dort aufgrund der oftmals schlechten Lagerbedingungen wie Wärme, Neonlampen, usw. ohnehin keinen älteren Jahrgang erwerben wollen.

Ob jemand den Wein lieber jung oder gereift trinken mag, soll jeder für sich entscheiden. Jedenfalls hat es was, wenn die Reifeentwicklung eines tollen Tropfens über mehrere Jahre verfolgt werden kann - das gilt für Weißwein genauso wie für den Roten. Aber auch ein frisch-fruchtiger Jungwein zu den ersten Sonnenstrahlen genossen, ist nicht zu verachten. Warum sich auch entscheiden, wenn man beides haben kann?
Das einzige, wofür ich wirklich eintrete, daß die Winzer ihren (Weiß)Weinen die notwendige Entwicklungszeit geben und sie erst dann in den Handel bringen. Genauso wie:

Der Vergleich vom Aktuellen zum Vorgängerjahrgang macht die meisten (meistens ;-) sicher, zu welcher Flasche sie greifen sollen!

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