Samstag, 22. Mai 2010

Weinrallye #33 - (Gelber) Muskateller (1)

Ja, ich habe mir den lautesten aller Aromasorten ausgesucht - den Gelben Muskateller.

Nicht, daß ich eine der anderen aromatischen Rebsorten - wie zB. den Traminer oder die Scheurebe - weniger gerne mag, auch gibt es weitere heimische "schmeckerte" Rebsorten, die nicht so bekannt sind und es ebenfalls verdienen vorgestellt zu werden (das kommt schon noch!), aber der Muskateller ist da bei mir doch ein wenig der "primus inter pares", da diese Rebsorte in den letzten Jahren bei mir ein bißchen zu kurz gekommen ist.
Umsomehr freue ich mich daher, zuletzt wieder einige hervorragende Exemplare - diesmal abseits der Südsteiermark - gefunden zu haben. Und wie heißt es außerdem so schön:
Alte Liebe rostet nicht!

Auch wenn die frühlingshaften - Temperaturen diesmal noch nicht im erwarteten Ausmaß eingetroffen sind, verspürte ich in den letzten Wochen doch fast unbändige Lust auf etliche Flaschen dieser Varietät. Und so habe ich doch etliche Flaschen (m)einer strengen Gaumenprüfung unterzogen ;-)

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Vor einigen Jahren auch als Hoffnungsträger in Deutschland proklamiert, gehört diese Rebsorte in Österreich inzwischen wohl schon zum Standardrepertoire der meisten Weinbaubetriebe - und ja: auch abseits der (Süd)Steiermark - obwohl er flächenmäßig nur knapp 450ha aufzuweisen hat. Das entspricht nicht ganz einem(!) Prozent der österr. Gesamtanbaufläche aller Rebsorten.
Und auch bei unseren Nachbarn in Deutschland ist die Tendenz steigend, auch wenn's prozentmäßig mit 0,2% und absolut mit 175ha doch deutlich weniger als in Österreich ist.
(Quelle: Statistik 2009-2010 Deutscher Wein)

Betrachten wir die Zunahme des Muskatellers im Zeitraum 1999-2009, so fällt diese mit etwas mehr als 300ha gar nicht mal so klein aus. Das ist flächenmäßig hinter Sauvignon Blanc (~470ha) und Chardonnay (~390ha) der dritte Platz. Anteilsmäßig betrachtet liegt der Muskateller mit Zuwachsraten jenseits der 300% sowieso unangefochten an erster Stelle!
  • In der Weinbauregion Niederösterreich +380% (~200ha) --> Weinbaugebiet Weinviertel mit 550% (92ha)
  • In der Weinbauregion Burgenland +400% (~60ha)
  • In der Weinbauregion Steirerland +100% (~180ha)
Vergleicht man die Zahlen aller Aromasorten, so ergibt sich derzeit folgendes Bild in den heimischen Rieden:
  1. Sauvignon Blanc, 780ha = 1.5%
  2. Scheuebe / Sämling 88, 510 = 1%
  3. Muskat Ottonel, 475ha = 0.9%
  4. Muskateller, 450ha = 0.9%
  5. Traminer, 400ha = 0.8%
  6. Bouvier, 340ha = 0.6%
Zum Vergleich der Stockerlplatz, der - na wem schon? eh klar - dem Grünen Veltliner mit 17150ha = 32,6% gebührt.
(Quelle: ÖWM Doku Weinland Österreich 2009 - Teil 1, Zahlen gerundet)

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In letzter Zeit höre ich immer öfters den Satz: "Am Muskateller habe ich mich aber schon sattgetrunken!"
Papperlapapp! Muskateller ist toller Stoff - doch die wenigsten sind sich seiner stilistischen Varianz bewußt (und süffeln immer nur das gleiche verwaschene Fruchtzeugs). Ein *wirklich* gut gewonnener (nicht gemachter!) Muskateller weiß immer zu überzeugen!

Daß es allerdings Personen gibt, die diesen Wein komplett ablehnen, habe ich mit der aus Südfrankreich stammenden Cousine meiner lieben Renate erlebt.
Wir hatten an einem warmen Sommertag Cous-Cous mit gebratenem Gemüse, dazu fand ich einen Gelben Muskateller vom Weingut Adam-Lieleg - dem damaligen steirischen Landessieger 2006 - geradezu prädestiniert. Denkste! Zuerst war's still lange, dann kam ein böser Blick und dann erschallte ein fast in beleidigter Stimme intonierter Ruf "Was soll *das* sein?"
Das traf mich wie der Blitz, unvorhergesehen, denn eigentlich kannte ich bis dato keine Personen, die dem Muskateller feindlich gesinnt sind ;-)

Also noch mal: Papperlapapp!
Muskateller ist toller Stoff! Und wo sonst bekommen wir dermaßen viel (animierenden) Geschmack und Trinkspaß mit 11.5% bzw. 12% Vol.? Das soll mir einmal eine(r) sagen!

Aus meiner Sicht wird die Hälfte (oder mehr?) aller produzierten Muskatellerweine dem Potential der Rebsorte nicht gerecht und das aus vielfältigen Gründen: zu süß, zu schlaff, zu wenig expressive Frucht, ohne Spannung, keine Typizität usw..
Die Produktion folgt hier zumeist dem "Me Too"- Gedanken der Winzer, um Kundenanfragen á la "Warum habt ihr eigentlich keinen.." zu befriedigen. Denn das habe ich schon öfters gehört. Per se auch nichts Verwerfliches! Um aber einen wirklich guten Muskateller zu erzeugen, braucht es 2 wesentliche Faktoren:
  • ein wenig Herzblut und Verliebtheit der Sorte gegenüber und
  • den richtigen Standort, oder aber - um wieder einmal einen viel strapazierten begriff zu verwenden: Terroir
Nun, um ehrlich zu sein, ist das für jede Rebsorte unabdingbar, um einen *wirklich* guten Wein zu keltern, aber Muskateller ist heikel: die Schalen sind dünn, die Rebsorte ist anfällig für etliche Krankheiten und reift zudem sehr spät (siehe dazu auch den Muskateller-Artikel in der Vinaria 3/10). Durchaus möglich, daß aufgrund der intensiven Aromatik die stilistische Varianz, die feine Geschmacksnuanciertheit dieser Rebsorte von den wenigsten Personen wirklich wahrgenommen wird. Die zusätzliche Komplexität im Muskateller schaffen nur die wenigsten Winzer und es ist gerade dieser Teil, dem größenteils vom der richtigen Standort abhängt.

Bisher habe ich sehr oft die Erfahrung gemacht, daß bei Muskateller (mehr oder weniger) immer wieder die gleichen (bekannten) Erzeuger punkten. Dies ist für mich ein weiterer Hinweis darauf, was eine wichtige Rolle beim Muskateller die Lage spielt, denn die meisten Vertreter werden wohl alle gleich "technisch" (soll heißen: kühle Vergärung mit Reinzuchthefe) produziert. Mit zunehmender Anbaufläche kommen aber auch sehr gute Vertreter aus Regionen, die bisher nicht wegen des Muskatellers am Radarschirm der Konsumenten sind.

Also versuche ich hier einmal meine ganz persönlichen Steigerungsstufen der Kategorie "(Gelber) Muskateller" zu formulieren:
  • Typ A1 - Der Messerscharfe
    Er braucht eine klare, expressive, ja vibrierende Frucht, muß ganz fokussiert sein, nervige, rassige Säure aufweisen, ist eher schlank am Gaumen, knochentrocken im Abgang, auch Zitrus ist zulässig, aber sollte nicht vorherrschend sein. Das ist der Apertif-Klassiker schlechthin!
    Nachteil: treten oftmals mit lautem TamTam auf und sind am zweiten Tag nur mehr müder Aufguß ihrer selbst!
    Gute Exemplare kommen zB. von Vorspannhof Mayr (Kremstal), Weinbau List (Südost-Steiermark), Erwin Sabathi und Adam-Lieleg (beide Südsteiermark)
  • Typ A2 - Der Komplexe
    Ist eine direkte Weiterentwicklung des Typs A1, besitzt also alle seine positiven Attribute, zeigt sich aber nicht mehr ganz so expressiv und laut in der Nase, zumeist mit zusätzlicher Aromatik wie Mandarinen, Orangenzesten, Rosen (-duft & -holz) behaftet. Hat einen volleren Körper mit deutlich mehr Substanz und Extrakt am Gaumen vorzuweisen, ist trocken - klar! - wirkt aber nicht knochentrocken, idealerweise mit mineralische Noten versehen. Muskateller mit richtigem Anspruch für die verwöhnte Weinzunge! Hält locker - mit gleichbleibender Qualität - ein paar Tage.
    Beispiele dafür kommen vom Weingut Harkamp (Muskateller Steil), Wohlmuth (der Steinriegel) (beide Südsteiermark) und dem Zehnthof Luckert (Franken)
  • Typ A3 - Der Geheimnisvolle
    Komplexe, vielschichtige Aromen, die expressive Frucht ist bei diesem Typus so gar *nicht* im gewohnten Ausmaß vorhanden und das macht so ein Exemplar wahrscheinlich auch für ausgewiesene Wein(schlau)füchse schwer als Muskateller erkennbar. Nichtsdestotrotz hat diese Stilistik immer neue Facetten für die Nase parat und das macht ihn wirklich interessant. Bis dato kenne ich nur einen Wein, der diese Art bedient hat: jener 2006er(!) Muskateller vom Bio-Betrieb Sepp Muster (Südsteiermark), ganz eigen, die mir aber unheimliche Trinkfreude beschert hat, zumal der Wein ganze 10 Tage wie eine Eins im Glas gestanden hat.
  • Typ B - Der mollig Runde
    Zeigt viel traubige Frucht und ist mit einer deutlichen Restsüße versehen. Wer jetzt bereits verächtlich den Mundwinkel hochzieht, den lade ich ein, einmal die verzückten Gesten zu studieren, welche sich bei einem solchen Wein - zB. als Abschluß eines üppigen Festschmauses - zum Regenerieren der Geschmackspupillen auf den Gesichtern der Gäste einstellen - und das nicht nur auf jenen der Frauen!
    Ein frisch schäumender Moscato d'Asti ist diesbezüglich die Krönung! Exemplare in still zB. von Franz Anton Mayer (Donautal), Landauer-Gisperg (Thermenregion) und schäumend: Muscato von G. Triebaumer (Rust) oder eben aus der Region um Asti
  • Typ C - im Spät & Auslesebereich
    das Feine bei diesen Exemplaren ist die Tatsache, daß neben einem Süß-Säure-Dialog auch noch die aromatischen Komponenten mitspielen und so eine erlebnisreiche Melange als Mundgefühl erlebbar wird - aromatischen Feuerwerk sozusagen.
    Erwähnenswert zB. Rosenmuskateller (aus Südtirol), Moscatel Tardia (Spanien) oder Orangenmuskateller (USA) und Beerenauslese Muskat Ottonel zB. vom Kracher (Neusiedlersee)
Bei den Verkostungsnotizen vom letzten Jahr (zur Rebsorte Muskateller) habe ich bereits auf einen weiteren, unterschätzten Aspekt dieser Rebsorte hingewiesen - jener der ausgezeichneten Lagerfähigkeit!
Auch wenn das Reifepotential für Typ A1 nur eingeschränkt gilt, ist es doch einmal einen Versuch wert, ein gutes Exemplar nicht gleich in den ersten 6 Monaten nach Füllung hinunterzugurgeln. Wobei, das darf - und soll - ein Jeder halten wie er will!

Zusammenfassen halte ich den Muskateller für eine rundherum tolle Rebsorte mit vielen (sommerlichen) Vorzügen, auch wenn es viel zu wenige Exemplare gibt, die hinter der Primärfrucht noch weitere Geschmackserlebnisse offerieren können.

Der Sieger meiner verkosteten Weine jedenfalls kommt nicht aus Österreich und das war für mich doch einigermaßen überraschend.
Ohne Übertreibung kann ich behaupten, daß mich nicht nur die Silvaner vom Zehnthof Luckert begeistern, nein, der Muskateller aus der Sulzfelder Lage Maustal ist schlichtweg das beste jemals von mir getrunkene Exemplar aus dieser Rebsorte. Neben zwei weiteren aus Austria ;-) - Punkt.

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