Sonntag, 13. April 2008

Ein Abend mit Herrn Tignanello

Manchmal besitzt man Weine, die liegen fast ewig im Keller und warten. Warten entweder auf den passenden Moment entkorkt zu werden oder einfach (wieder)enteckt zu werden.
So eine Flasche war mein Tignanello 1995.
Obwohl ich Weine grundsätzlich immer zum Genießen und niemals zur Spekulation erwerbe, habe ich bei diesem Wein doch einige Male bei einer bekanntem Plattform nach Auktionsergebnissen geschielt. Die meisten Ergebnisse hätten eine gute Rendite für meine damals um LIT 52.000 erstandene Flasche versprochen - allein ich blieb meinen Prinzipien treu.

Eine Einladung zweck Schuldtilgung bei einem lieben Freund stand an und somit war die Zeit gekommen, die Flasche bei einem italienischen Abend zu öffnen. Als Apero reichte ich einen Rotari Brut Rosé VSQPRD, DOC Trento, zu 3/4 aus Pinot Nero, der Rest Chardonnay, zartes Lachsrosa, sehr runde Nase Richtung zitronigen Noten, könnte ein wenig fokussierter sein, am Gaumen dann straff, knochentrocken, solide Handwerkskunst, aber auch nicht mehr, */***.
Zu Renates wie immer köstlicher Lasagne gab's dann die letzte Flasche Chianti Classico 2001 von Il Molino di Grace, aus Panzano, Toskana, hoho, also, da war schon beim ersten Schnupperer klar, daß dies ein Prachtexemplar ist - eine ordentliche Vorgabe für den nachfolgende Supertoskaner - noch sehr dunkle Farbe ohne jedwede Reifetöne, herzhafte Frucht, intensive Nase, ein wenig Himbeeren, satte Fruchtsüße, sehr geschmeidiger Gaumen, rund und saftig, ja fast opulent, eine feine Säurestruktur tragt den Wein, im Abgang feingeschliffenes Tannin, welch wundervolle Überraschung, da sag nocheinmal einer, daß ein normaler Chianti kein gutes Reifepotential besitzt, ein Hochgenuß zu Renates Lasagne, **(*)/***

Ja, und war's soweit. Ca. 1 Stunde in einer schlanken und hohen Karaffe zwecks Depot dekantiert, die Zeit habe ich eher konservativ bemessen, da ich schon öfter erlebt habe, daß ältere Weine in der Karaffe sofort den Sauerstofftod erleiden :-( Der Wein selbst braucht ja nicht extra vorgestellt zu werden, er wird in anständigen Menge produziert und auch in solchen getrunken - das unterscheidet ihn wohl im Vergleich zu anderen Weinen, welche nur als Prestigegewinn und zur späterer Veräußerung eine Existenzberechtigung im Keller vorfinden. Eigentlich ein idealer Tischwein für Weinsnobs mit dem entsprechenden Geldbörsl ;-)

Eingetreten ist genau das, was ich mir ausgemalt habe. Die gute Nachricht: Der Wein ist solide! Die Schlechte: Das war's dann aber auch schon! Das reißt keinen vom Hocker! Antinori, Tignanello 1995, Toskana, ziegelrot, mit dunklem Kern, anfangs eher verhalten, leicht würzig, Edelhölzer, präsentiert sich am Gaumen sehr balanciert, feste und mürbe Gerbstoffe, gesamtheitlich gesehen sehr angenehmer Wein ohne wirkliche Komplexität (die ich im zB. 1990er sehr wohl gefunden habe), ein grundsolider, beim betrachten des PLVs aber ziemlich überteuerter Klassiker, */***.
Zeit für einen Café Macchiato, eine Cohiba Robusto (wo sich der Tignanello ganz fein dazu trank) und das Schokomousse nach Familienrezept, welches cremiger, runder und nicht so ganz herb ist wie jenes von Paul Bocuse, das bei uns normalerweise auf den Tisch kommt.

Dazu eine wundervolle Flasche der Bodegas Julian Chivite, Vino Tardia Moscatel 1997 Colección 125, Navarro, Fermentation und Ausbau über 14 Monate in neuen Barriques aus Alliereiche, sattes Goldgelb, intensive Muskataromen, sehr komplex, kandierte Zitrusfrüchte, ein wenig Honig, so nobel und samtig den Gaumen auskleidend, wirkt sehr konzentriert, in sich ruhend, die perfekte Harmonie im Fruchtsüsse und -säurespiel, langer balancierter Abgang, hält seine Form perfekt über 3 Tage - dann war die halbe Flasche leider geleert ;-), Wunderstoff, Höchstnote, ***/***

Summa summarum 2300 Kilokalorien zuviel - dh. für morgen 3 x zurück zum Start und drei Runden extra laufen - denn wie heißt's so schön: A moment on my lips, years on my hips!

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