Mittwoch, 7. Juli 2010

Mission Bordeaux 2007

Während sich alle Welt am neuen Jahrhundertjahrgang erfreut - nach 2000, 2003 und 2005 eh' erst der vierte(!) in dieser Dekade - und sich gleichzeitig über die absurden Preisgestaltungen der arrivierten Châteaus mokieren - wieso eigentlich, ist doch das gleiche bigotte Schauspiel wie jedes Jahr? - ist es an der Zeit, sich an den noch "frischen" (und preiswerten) 2007er Weine zu erfreuen.
Schon lange habe ich es aufgegeben, den traditionellen Jahrgangsbewertungen wie ein Lemming zu folgen, zu angenehme Weine aus kleinen Jahrgängen habe ich schon im Glas gehabt. Und das ohne 20-jährige Bordeauxerfahrung, ohne Teilnahme an Primeurvertkostungen und auch ganz ohne Premiers Crus!
Ja ich wage sogar die Behauptung, daß bei sorgfältiger Auswahl der Flaschen ein ebenso großer Trinkspaß wie bei den sogenannten Topjahrgängen garantiert ist - alleine schon wegen der entspannteren Erwartungshaltung dem Flascheninhalt gegenüber. Die Schonung der eigenen Geldbörse inkludiert!

2 außerordentliche und 3 wirklich gute Weine - allesamt noch in ihrer ansprechenden Fruchtphase behaftet - haben mich sehr positiv überrascht! So soll's sein und das ist mit ein Grund, warum sich (preislich angemessener) Bordeaux nachwievor in meinem Keller findet!
  • Château Rol Valentin 2007, St. Emilion, Rubinrot, hochfeine und expressive Nase, tolle Röstaromen, Kaffeelikör. Milchschokolade, Brombeere, wirkt sehr kühl, korrespondierende Aromatik am Gaumen, sehr zivile Stilistik, Noblesse, mittelgewichtig, gut saftig, balanciert, zeigt schon gute, fruchtbetonter Abgang, die Gerbstoffe im Hintergrund, recht harmonisch, mittellanger Abgang, macht Spaß, **/***, Potential!
  • Château la Grave 2007, Pomerol, ein Wein aus dem Stall von Jean Pierre Moueix, mitteldichtes Rubinrot, erster Eindruck beim Reinriechen: pures Cassis / Johannisbeer, zweiter Eindruck: ich bin falsch in Bordeaux - viel eher ist das hier Merlot aus Chile, tiefe, strömende Würze & Gewürze, das Holz perfekt integriert, ein wenig zitronig, dunkle Schokolade, am Gaumen saftig (und so wie in Übersee) leicht feurig, hat Pepp, balanciert mit reifem Tannin, insgesamt macht der Wein Spaß, hat für mich aber ein Identitätsproblem! Wirkt insgesamt geschliffener als die Weine aus der neuen Welt, aber Bordeaux ist das trotzdem nicht. Obwohl, was weiß ich schon von Pomerol? Entwickelt am dritten Tag dann balsamische Noten, Teer, wirkt seriöser, wiederum Anklänge an Zitrus, toller, weil richtig hedonistisch reifer Stoff! **-**(*)/***
  • Château Barde Haut 2007, St. Emilion Grand Cru, leuchtendes, aber nicht allzu dichtes Rubinrot, sehr getragene, attraktive Nase, Heidelbeere und Brombeere, Zwetschke, Milchschokolade, leicht parfumiert, straffes Mundgefühl, wirkt kompakt, gute Balance, fokussiert zum Abgang immer mehr, engmaschig, herrliche, feinnervige Säurestruktur stützt den Wein, minutenlanger Abgang, geschmeidiger Extrakt und Säure umkleidet den Gaumen! Zeigt am zweiten Tag eine Tolle Textur, ätherische Noten von Eukalyptus, Veilchen, insgesamt sehr vielschichtig, reifes und weiches Tannin, feurige, bleibt immer engmaschig und wirkt niemals fett oder gar breit, viel Potential, toller Stoff zum attraktiven Preis! **-**(*)/***
  • Château Belgrave 2007, Haut Medoc, sattes Rubinrot, anfangs feine Röstaromatik, Tropenholz, die Frucht im Hintergrund, wirkt etwas "spröde", aber nicht unharmonisch, am dritten Tage dann das blühende Leben, die Holznoten sind komplett eingebunden, Himbeere, ganz zart Brombeernoten, Zwetschkenkonfit, dunkle Schokolade, am Gaumen fest, der Cabernet-Anteil ist merkbar, und doch so runder Fruchtgaumen, wunderbar balanciert, reife Gerbstofftextur macht den Wein angenehm stoffig, kühler Weingenuß bis in den mittellangen Abgang, bereitet gutes Trinkvergnügen und bietet viel Wein für's Geld, **/***
  • Domaine de Chevalier 2007, Pessac-Leognan, Rubinrot mit dunklem Kern, rotbeerige, ansprechende Fruchtnoten, die Holzunterstützung fast nicht merkbar, feiner Gaumen, zurückhaltend, aber trotzdem gute Struktur zeigend, reifes Tannin, alles in feiner Harmonie, nach 3 Tagen zeigt der Wein viel Würze, schwarzer Pfeffer, erdige Komponenten, schöne Balance zwischen Fülle und Säure, zeigt eine superbe Balance und ist wiederum ein gelungenes Beispiel dafür, warum ich Bordeaux so mag - zivilisierte Kraft in "a perfect shape", ist aber am Ende des Tages (für sein Preisetikett) auch ein wenig (zu) einfach gestrickt! Zuwarten, *(*)-**/***

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