Zum 4. Mal war ich Gast beim kleinen Linzer Weinfrühling im Alten Rathaus, der es einem Weinfreund zeitnah ermöglicht, die im letzten Weinjahr entstandene Qualität über einen Großteil der österreichischen Weinbaugebiete grob einzuordnen.
Der 2010er Jahrgang war aufgrund seines nasskalten Witterungsverlaufes ja bereits mannigfaltig im Vorfeld unter Verruf geraten - auch wenn es dazu einige Gegenstimmen gab, die doch einmal zum Abwarten und zum Verkosten des Endprodukts mahnten, bevor dem Jahrgang ein negatives Attribut angedichtet wird.
Als Konklusio der Verkostung kann ich den Stimmen dieser "Rufer in der Wüste" nur Recht geben.
Der 2010er zeigt sich jugendlich beschwingt, fruchtbetont und auch von den Säurewerten her durchaus dem österreichischen Gaumen zugetan. Zuwarten mit der Lese lohnte sich vielerorts und brachte bzgl. Extrakt und Aromenvielfalt einen willkommenen Gegenspieler zur reschen Säure.
Auch wenn einige der früh gelesenen Weißen sogar die 10g/l-Säureschwelle nahmen, konnte sich Dank der technischen Hilfsmittel zur Entsäuerung - die Bernhard Fiedler in seiner Serie "Der gläserene Wein" gut verständlich dokumentiert hat - der Großteil der jungen Weine bezogen auf die Säurestruktur sehr harmonisch und trinkanimierend präsentieren.
Einige Winzer haben bzgl. Säurereduktion wohl ein wenig über's Ziel hinausgeschossen - paradoxerweise gab es auch Weine, die ich trotz eines solchen Jahrgangs dann als fad und zu lasch empfand. Auch Joghurttöne von der malolaktischen Gärung waren tlw. noch bei den gereichten Weinen auszumachen.
Ein weiterer Wehrmutstropfen im Weinjahr 2010 ist sicherlich die geringe Menge, einige Winzer - wie zB. am Wagram - hat es nach Hagelausfällen 2009 mit einer kleinen Ernte nun bereits das zweite Jahr in Folge getroffen. Dass dies bei Einbußen auch jenseits(!) der 50% einer Normalerntemenge schnell an die Substanz gehen kann, ist leicht nachvollziehbar. Die Konsumenten sind hier wohl eindeutig in der glücklichen Ausgangslage, trägt doch das Risiko in diesem Fall zu 100% der Produzent.
Nachfolgend sind ein paar jener Weine gelistet, die mir gut gefallen haben:
- Fam. Rosenberger, zwei "schöne" Rieslinge, offen, straff, animierend der Lössterrassen, komplexer, mineralischer, exotischer, straffer der Exklusiv, und ein ansprechender, sortentypischer Sauvignon Blanc, Cassis pur mit grünem Paprika, nervige, straffe, den Speichelfluß förderne Säure, fein,
- Fam. Reinberger, ein kühler und aromatischer Grüner Veltliner Brenner, ebenso die Rose Grün mit gutem Extrakt und zarten Minznoten,
- Joe Bauer, tolle, nervige und trinkanimierende Säurestruktur (die beste von allen Winzern) beim Grünen Veltliner Katharina, zusätzlich noch wuchtiger Extrakt beim GV Spiegel Alte Reben, einiges an Potential,
- Norbert Bauer, ein fülliger Roter Veltliner Hinternberg mit feiner Frucht und verspieltem Süße-Säure-Dialog - alle Weine aus der Weinbaueregion Wagram!
- Weingut Thell in burgenländischen Seewinkel Apetlon mit einer feinen, bereits toll runden 2010er Spätlese aus der Rebsorte Muskat Ottonel, ein Wein, der zu asiatisch scharfen Gerichten einen vorzüglichen Begleiter gibt, noch prachtvoller der Welschriesling Eiswein aus dem heißen Jahr 2003, à point, superber Süße-Säure-Dialog, Orangenzesten, ein fettes und dabei doch hochelegantes Elixier.
Aus der Thermenregion gab es feine Weine aus dem sehr burgundischen Jahrgang 2008 von zwei (mir) altbekannten Weingüter zu verkosten:
- Johann Gisperg, sehr feine, weiche, zugängliche und mit viel Fruchtcharme ausgestattete Pinot Noirs (sowohl Classic als auch Exklusiv und Reserve), auch die beiden St. Laurent Exklusiv und Reserve können mit burgundischem Charme, gekonntem Holzeinsatz, Struktur und Offenheit punkten,
- Fam. Schneider, toller, finessenreicher Der Pinot (Burgundermacher), mehr Würze und Struktur zeigt dann die Reserve, für die empfehlenswerte Cuvée Kräutergarten gilt "nomen est omen", zeigt trotz aller Würze und Struktur noch immer die burgundische Dimension, St. Laurent Reserve, sehr maskulin und herb, Schokotouch, fokussiert, schlank, viel Potential.
Nicht verschweigen will ich aber auch, daß es von einigen, in den letzten Jahren immer verlässliche Weinqualitäten produzierende Güter, diesmal nur Mittelmaß zu verkosten gab. Ihnen allen fehlte die strahlende, blitzsaubere Frucht und waren mit einer leicht herb-dumpfen Note überlagert.
So bleibt abschließend eigentlich nur festzustellen, dass es auch aus dem schwierigen Weinjahrgang 2010 sehr gute Weinqualitäten geben wird, die durch ansprechende Frucht und Trinkanimo wohl nicht all zulange ein "Kellerdasein" fristen müssen :-)
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